Auch das Nokia-Werk im rumänischen Cluj steht jetzt vor dem Aus (RP-Online, 30.09.2011). Vor drei Jahren hatte Nokia nach dem Erhalt von mehr als 60 Millionen Euro an Subventionen das Werk in Bochum dichtgemacht. Durch NRW ging ein Aufschrei, begleitet von einer riesigen Welle des Mitleids und der Solidariät mit den mehr als 2000 Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz verloren. Im gesamten Jahr 2008 betrug der Nokia-Umsatz 50,7 Milliarden Euro. (connect.de).
Der Wittener SPD-Landespolitiker Thomas Stotko nahm am Protestmarsch der IG Metall gegen die Nokia-Schließung in Bochum teil und stellte fest: „Die Entscheidung der Nokia-Konzernleitung ist wirtschaftlicher Raubbau am Ruhrgebiet. Neben der EU, dem Bund und dem Land hat allein die Stadt Bochum stolze 6,5 Millionen Euro in den Standort gesteckt." (www.spd-witten.de)
Die Rheinische Post (RP-Online, 30.09.2011) zieht daraus den Schluss:
"Es zeigt sich erstens, wie wenig Einfluss die Politik noch auf die Entscheidungen von großen Unternehmen hat: Subventionen erkaufen keine Loyalität, die Firmen denken global, eine echte Heimat hat fast kein Konzern mehr. ... Zweitens zeigt sich, wie sehr die Politik bei Standortverlagerungen zwar immer wieder auf Populismus setzt, aber am Ende nichts erreicht."Stotko rief 2008 zur Solidarität mit den Bochumer Nokia-Beschäftigten auf, bezeichnete die Forderung zur Erhaltung des Werks als „ein ernstzunehmendes Signal an die Nokia-Konzernleitung" und drohte: "Euren Raubbau nehmen wir nicht hin“. Starke Worte - aber ohne Konsequenzen.
Raubbau
In Herbede wurden vor etwas mehr als zwanzig Jahren öffentliche Gelder in den Ausbau der Meesmannstraße investiert, für Witten sicher eine enorme finanzielle Belastung. Diese Investition wird hinfällig, wenn das Zentrum in das Gerberviertel "verschoben" wird. Der Edeka-Marktleiter sprach aus, was alle wissen: das gewachsenen Zentrum mit seiner Vitalität wird verschwinden. Der Unterschied zu Nokia: Die Stadt selbst begeht dann wirtschaftlichen Raubbau und nicht ein Großkonzern.Die SPD in Witten hat ein befremdliches Weltbild: Witten ist nicht Bochum, 2300 Arbeitsplätze sind viel und 115 Arbeitsplätze von Gewerbetreibenden im Zentrum Herbedes sind wenig, Nokia sind finnische Ausländer (böse?), Edeka ist deutsch (gut?). Oder wie ist das unterschiedliche Verhalten zu erklären?
Arbeitsplätze in Herbede
Nun könnte sich bei der SPD in Witten ja wenigstens eine Spur von Anteilnahme an den Ängsten vor dem drohenden Verlust von Arbeitsplätzen im Zentrum Herbedes finden. Aber weit gefehlt! Durch eine eilends durchgeführte Umfrage ihrer Ortsvereine in Herbede versucht die SPD, das Ergebnis des Gutachtens des Büros Stadt+Handel in Frage zu stellen. Selbst die örtliche CDU kann sich in der Expertise "nicht wiederfinden"! Das Ergebnis entspricht offenbar nicht den politischen Wünschen einiger Ratsmitglieder. Welche Motive haben sie?Das Gutachten bestätigt die Zukunftschancen des Zentrums und hält ein Ausweichen in das Gerberviertel nicht für sinnvoll. Die SPD interessiert sich jedoch weniger für wissenschaftlich korrekte Analysen oder Meinungen von Fachleuten. Sie behauptet, der Ortskern werde von einem Edeka-Markt oder von einem anderen Vollsortimenter im Gerberviertel profitieren. Wozu braucht die SPD wissenschaftliche Methoden, wenn sich die Methode, das Bauchgefühl sprechen zu lassen, für sie seit Jahrzehnten bewährt hat? Denn schließlich verdeckt das Bauchgefühl den tieferen politischen Willen, und der steht für die SPD nicht auf dem Prüfstand - und das ist für sie gut so.
Zu Edeka:
Der EDEKA-Verbund ist zwar genossenschaftlich strukturiert, aber das Sagen hat die Hamburger Zentrale. Nicht die sieben Regionalgesellschaften und erst recht nicht die Kaufleute vor Ort entscheiden über die strategische Ausrichtung des Konzerns, das haben die Edeka-Regionalfürsten bitter erfahren müssen. Edeka ist ein Großkonzern, der nicht nach den Bedürfnissen einer Region funktioniert, sondern nach den typischen Spielregeln und Strategien von Großkonzernen. Diese Strategie nimmt selbst die Vernichtung von Arbeitsplätzen eigener Edeka-Genossen in Kauf ("Kannibalismus"; "Tante Emma war eine ehrbare Kauffrau - was ist Edeka?", Stichwort: Edeka), wenn sich das Discounter-Modell "Netto" als größerer Gewinnbringer erweist.
Die Edeka-Gruppe steigerte ihren Gesamtumsatz in allen Geschäftsfeldern 2010 auf 43,5 Mrd. Euro. (Edeka). Hinzu kommt noch das Discountsegment mit dem "wachstumsstarken Format Netto Marken-Discount". Im Geschäftsjahr 2010 steigerte der "frischeorientierte Discounter" seinen Jahressumsatz auf insgesamt 10,36 Mrd. Euro.
Damit liegen Nokia und Edeka in Bezug auf den Umsatz etwa gleichauf.
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