Wenn stadtplanerische Fehlentscheidungen offen zu Tage treten, werden Schuldige gesucht, auch in Witten. Bedenken gegen die Ansiedlung eines großflächigen Lebensmitteleinzelhandelsbetriebes am Rande der Innenstadt, Kaufland, wurden nicht ernst genommen. Die Befürworter konnten sich durchsetzen, obwohl sie nicht mehr zu bieten hatten als eine vage Hoffnung - es werde schon alles gut gehen. Ähnliche "Argumente", wie wir sie heute in Herbede zu hören bekommen.
Das Ladensterben in der Innenstadt ging dennoch weiter.
Auch in Bezug auf ein innerstädtisches Einkaufszentrum in der Größenordnung der Stadtgalerie gab es Bedenken. Sie verhallten. Insider überrascht es nicht, dass die Wittener Stadtgalerie
einen enttäuschenden drittletzten Platz unter 158 Shoppingcentern in der Gunst von Händlern ergab, die in den Einkaufsmeilen ihre Filialen betreiben. Das hat jedenfalls kürzlich eine bundesweite Umfrage ergeben. (Ruhr Nachrichten, 11.11.2011)
Insofern ist die Begeisterung von Michael Neitzel, der seit eineinhalb Jahren zum Kreis der Immobilienbesitzer an der unteren Bahnhofstraße gehört, nicht ganz zu verstehen: „Ich finde es toll, hier eine Immobilie zu haben, und seit die Stadtgalerie dort ist, sind die Einkaufsmöglichkeiten ganz fantastisch.“ (DerWesten, 14.12.2011) Was ihm allerdings aufstoße, berichtet DerWesten, seien Leerstände, so genannte mindergenutzte Flächen „und das Grundproblem, dass die nötige Kundenfrequenz fehlt. Dafür braucht die untere Bahnhofstraße entweder einen Ankermieter oder ein angemessenes Angebot, nicht aber noch eine Dönerbude oder das soundsovielte Wettbüro.“
Doch dazu hätte die Stadt den Facheinzelhandel in der Innenstadt unterstützen müssen, nicht die großen Investorengruppen. Aber genau dies hat sie versäumt und möglicherweise bis heute nicht verstanden, was mit einem Konzept "integrierte Stadtentwicklung" an schlechten Entwicklungen verhindert und an guten Entwicklungen erreicht werden kann. (Lesetipp: "Zum Umgang mit großen innerstädtischen Einkaufscentern. Arbeitshilfe", Januar 2011. Im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen")
„Das Grundgesetz besagt, Eigentum verpflichtet. Deshalb appelliere ich an alle Eigentümer von Immobilien an der Bahnhofstraße, sich dieser Verpflichtung auch bewusst zu sein“, sagte die Bürgermeisterin Sonja Leidemann. (DerWesten, 14.12.2011)
Nun fragt einer unserer Leser:
“Wer garantiert dem Bürger, dass nicht in nächster Zukunft in Herbede die gleiche Diskussion stattfindet und dann an Stelle Bahnhofstrasse dort Meesmannstrasse steht?“Einfache Antwort: Niemand. Die Parteien werden ihre Hände in Unschuld waschen, wenn in der Meesmannstraße die Lichter ausgehen. Wenn keine Einzelhändler mehr da sein werden, die die Stadt beschuldigen kann, werden die Immobilieneigentümer die Folgen stadtplanerischer Fehlentscheidungen ausbaden müssen. In Herbede gehen die meisten Gewerbetreibenden, Dienstleister und Immobilieneigentümer davon aus, dass, sollte im Gerberviertel ein großflächiger Lebensmittelsupermarkt entstehen, der fast ein Drittel der gesamten Verkaufsfläche Herbedes abdecken würde, das Zentrum aussterben wird. Fachleute bestätigen die Befürchtung.
Noch ist keine Entscheidung über das Grundstück im Gerberviertel gefallen - sie steht wahrscheinlich im Februar an. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit, um den drohenden Verfall der Meesmannstraße aufzuhalten.
Die Immobilieneigentümer müssten sich untereinander verständigen. Der Bürgerkreis oder die neu gegründete Arbeitsgruppe Zentrumsentwicklung können dazu gerne kontaktiert werden. Die Industrie- und Handelskammer und der Einzelhandelsverband haben ihre Unterstützung zugesagt, und auch die Stadt steht in Verantwortung gegenüber dem Stadtteil.
Und bitte nicht missverstehen: Einzelaktionen bleiben ohne Wirkung, Herbede braucht jetzt den parteiübergreifenden Schulterschluss aller Herbeder Gewerbetreibenden und Immobilieneigentümer im Bereich des Zentrums!
Quellen:
ivi
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